Eines Morgens werde ich auf einem Auge blind aufwachen. Das fürchte ich schon lange. Jeden Morgen teste ich deshalb beide Sehorgane akribisch auf ihre Funktionstüchtigkeit. Das einseitige Erblinden kann nicht mehr lange dauern.
Das liegt am Einschlafen.
Einschlafen geht nur mit Lesen. Sogar endlos erschöpft und/oder betrunken. Sonst fange ich an, über komische Dings nachzudenken, denken denken denken und nicht aufhören - Gedanken sind ein Aufputschmittel. Buchstaben dagegen sind Schlafmittel, die übers Auge aufgenommen werden. (Das habe ich auch selbst herausgefunden, aber ein wenig ist die Feststellung geklaut von Max Küng. Apropos Max, Max Goldt las am Donnerstag in Bern und ich habe es verpasst. Ich frage mich, ob er den Ficksahne-Satz vorgelesen hat, oder ob er ihn extra ausliess und deshalb wieder jemand den Raum verliess.)
Aber zurück zum Thema: Wie lesen im Bett? So: Auf einer Seite liegend. Und immer EIN AUGE ZU. Ich weiss auch nicht warum man das so macht. Zwei Augen sind doch eine super Sache. Aber nein, im Bett liegend geht lesen nur mit einem Auge zu. Ein bisschen behindert, oder? Oder "Missge", wie die heutigen Jugendlichen sagen, zu denen ich nicht mehr gehöre, was auch schön ist, weil ich dann nicht Dinge sagen muss wie "Missgeburt" resp. eben "Missge".
Jedenfalls. Eines nachts wird eines meiner Augen beleidigt den Dienst quittieren. "Mich brauchts ja eh nicht", wird es leise jammern, was ich aber nicht hören werde, weil EIN AUGE HAT JA KEINEN MUND DU MISSGE!, jedenfalls wird das Auge eines Morgens nichts mehr sehen wollen. Und ich werde einseitig blind sein.
Heute gingen beide noch, und deshalb kann ich jetzt auch nicht meine Betreuerin an der Uni anrufen und sagen: Liebe Betreuerin, ich bin leider einseitig blind und ergo behindert und kann die Bachelor-Arbeit nicht schreiben, deshalb Tschese.
Sondern sitze da am Tisch und lese Bücher über den Schweizer Wohlfahrtsstaat. Mit beiden Augen offen.
Ich könnte grad doppelt wunderbar einschlafen.
Samstag, 11. April 2009
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