Samstag, 22. Dezember 2007

Das pure Elend

Dieser elende Tag beginnt so: Ich werde von sanften Schlagbohrerklängen geweckt, weil über mir eine neue Wohnung gebaut wird. Dann halt. So stehe ich auf und will meine Wäsche zum Trocknen aufhängen, als ich bemerke, dass ich ein Taschentuch darin vergessen hatte. Nun tummeln sich auf allen Sachen lustige weisse Flusen, aus welchen man tipptopp einen Faden spinnen und einen Pulli stricken könnte.

Dafür habe ich keine Zeit, setze mich in den Bus an die Uni, auf den einzig freien Platz, neben einem grantigen Alten. Der gibt mir einen Armbox und sagt: «Blödi!», und ich denk mir: Warum leben alle abgefahrenen Spinner in Bern?

Dann an die Uni, noch husch, husch eine Zeitung aus einem Velokörbli klauen, tätsch, zehn Velos liegen am Boden. Normalerweise würde ich abhauen, aber jemand hats gesehen, und so stelle ich die elenden Göppel wieder auf.

(Da klingelt das Telefon, und dran ist eine sehr verärgerte Person, die meine letzte Kolumne total blöd fand. Nö, das ist jetzt erfunden, da hat sich noch nie jemand drüber geärgert, Studenten lesen nämlich keine Bezahlzeitung. Oder vielleicht liegts daran, dass ich die Spalten nicht mit Körperflüssigkeiten und Sexszenen abfülle. So wie das andere Kolumnisten machen. Das wär mal was! So mit Schnäbi/Püppi/Füdi.)

Pst jetzt, zurück zum Supertag: Die restlichen Ereignisse sind nämlich wirklich so geschehen.
Und so geht es auch weiter. Ein Tag aus Mist. Ich resigniere, verziehe mich heim und leg mich ins Bett. Gerade als ich die Decke über den Kopf ziehe, fangen die Handwerker wieder an zu schlagbohren. Olé olé.

Freitag, 30. November 2007

Caramel for Bundesrat

«Dann willst du wohl mal Bundesrätin werden?», fragen mich die Leute, wenn ich sage, dass ich Politologie studiere. Neiiiin, das hat nix damit zu tun, möchte ich rufen. Male mir aber gerne ein wenig aus, wie das wäre.

Bundesrätin Caramel Landsturm beschliesst als erste Amtshandlung, dass gescheiterte Studenten keine Gastronomiebetriebe mehr eröffnen dürfen. Das ist nämlich auch ein Missverständnis: Dass jeder Tubel eine Beiz führen kann. Nein, nein, nochmals nein. Als Konsequenz dieses universellen Alternativplans, der vor allem unter Sozialwissenschaftlern grassiert, werden leidenschaftliche Cafébesucher wie ich mit schlechtem Service gefoltert von ultracoolen und betont unmotivierten Studentinnen, die Mittli tragen.

Zweite Amtshandlung: Bologna-Reform rückgängig, aber subito. Seit diesem Blödsinn hat Uni nämlich nichts mehr mit Studieren zu tun, nur noch mit Für-die-Prüfung-auswendig-lernen. So richtig Wichtiges lernt man nämlich nicht an der Uni. Meine Medizinstudentenfreunde beispielsweise können zwar tipptopp Diagnosen stellen und rezeptpflichtige Medikamente besorgen. Kaum haben sie aber mal einen Kater, liegen sie hilflos am Boden rum wie die toten Fliegen. Bundesrätin Caramel Landsturm befiehlt, dass im Medizinstudium ein Semester Katerbekämpfungskunde Pflicht wird.

«Das kann doch ein Bundesrat gar nicht!», ruft da schon mein enttäuschter Politikwissenschaftsprofessor. Da zeigt es sich wieder: Ich habe nichts gelernt in zwei Jahren Uni. Bundesrätin wird wohl nicht aus mir. Aber schliesslich kann ich ja immer noch ein hippes Bistro eröffnen.

Freitag, 16. November 2007

Die Hölle

Ein Umzug ist ähnlich wie eine Geburt, interpretiert man die Aussagen von mehrfachen Müttern korrekt. Die sagen nämlich: «Nach einer Weile hat man den Geburtsschmerz vergessen.» Und macht noch mehr Kinder.

Auch beim Umziehen ist man so blöd, es immer wieder zu tun, freiwillig erneut durch die Hölle zu schreiten. Weil der Packstress, der Schleppschmerz und die Putzstrapazen mit der Zeit verblassen und schliesslich vom Gehirn elegant als unnötige Erinnerung entsorgt werden.

Ich bin vor kurzem wieder durch die Hölle gegangen (die des Umzugs, nicht der Geburt). Dabei war ich mutig: Als 25-jähriger Mensch bin ich in eine Vierer-WG gezogen. Olé.

Meine Mitbewohner sind die Portmoneeprinzessin, die Brösmeliballerina und der Abschleppdienst. Die Portmoneeprinzessin ist sehr sparsam und schleppt nur pampige Migros-Budget-Produkte an; kauft Fleisch für Monate (Aktion!), füllt damit das Gefrierfach und isst es frühestens am Ablaufdatum. Die Brösmeliballerina hält einen Staubsauger für ein exotisches, pelziges Tierlein, dem man nur alle paar Jahre einmal in einer staubigen Wüste begegnet. Sie würde die Spaghetti nie im Leben schneiden – dafür ist sie zu kultiviert. Sie zerbricht sie vor dem Kochen.

Und der Abschleppdienst: Der schleppt ab, wer am Ende der Nacht noch so liegen bleibt.

Ansonsten ist es mit den drei sehr hübsch und die Wohnung auch. Ich werde eine Weile bleiben. Etwa so lange, bis ich vergessen habe, wie schlimm Umziehen ist.

Freitag, 19. Oktober 2007

Lukas und Fränzi

Einen grünen Daumen zu haben ist etwas Schönes. Wer keinen hat, kann dies durch viel Liebe kompensieren, dachte ich immer. Bis ich die Bekanntschaft von Lukas und Fränzi machte.

Es war kalt geworden in der Nacht, mein Basilikum auf dem Fensterbrett schlotterte und fror, ich war lieb und nahm den Topf über Nacht in die WG-Küche. Ein Fehler.

Am nächsten Morgen entdeckte ich am Boden ein daumengrosses, wüstes Ding. Blind und blöd, wie die Made war, hatte sie in der Wärme unserer Küche den Frühling gespürt und sich aus dem Basilikumtopf nach draussen gewunden.

Ich hatte bereits einen ersten spitzen Schrei ausgestossen; ein hysterischer Anfall folgte, als ich das zweite graue Monster herumkriechen sah. Ich rannte ins Schlafzimmer und trampelte den Mann wach. Der blieb zunächst cool. «Lass uns ihnen süsse Namen geben, dann ist es vielleicht weniger schlimm», schlug er eine psychologische Finte vor. Wir tauften die beiden auf die Namen Lukas und Fränzi. Olé.

Um es kurz zu machen: Warm wurden wir nicht miteinander, ich, Lukas und Fränzi. Ebenso wenig zählt Robert heute zu meinen Haustieren. Der hatte sich gut versteckt und erst später zu uns gesellt.

Doch jedes Mal, wenn ich die Küche betrete, denke ich an die drei zurück. Nicht etwa wehmütig. Vielmehr fürchte ich, dass eines Tages noch eine schüchterne Barbara hinter dem Küchenschrank hervorlugen könnte.

Freitag, 5. Oktober 2007

Übercool

Neulich war ich in New York. Das stimmt zwar auch in gewisser Hinsicht, aber eigentlich schreibe ich das nur hier hin, weil ich mit diesem Satz schon lange mal einen Text beginnen wollte. Amerikaner würden sagen: ein übercooler Satz. Die brauchen das wirklich, «übercool», sie sind nämlich neidisch auf unsere hübsch ëxötischën Pünktchen auf den Buchstaben. Wenn ich dereinst wieder in die USA fliege, bringe ich deshalb einige äs, ös und üs mit. Gleichzeitig werde ich einige falsch übersetzte Wörter retournieren, etwa die «Bush-Administration», die richtig übersetzt «Bush-Regierung» heissen müsste, aber sogar meine Professoren sind so übercool und verwenden den Begriff falsch.

Und wenn ich dann wieder von Amerika zurückkehre, werde ich auch mit dem Missverständnis aufräumen, dass man nirgends so schlecht bedient werde wie in der Schweiz. Um das Gegenteil zu erfahren, muss man nur in Brooklyn in ein Bekleidungsgeschäft eintreten. Für dieses Vergehen wird man vom Verkaufspersonal mit etwa gleichviel Verachtung gestraft, wie wenn man (nicht ich) an der Uni öffentlich zugeben würde, nicht rot-grün zu wählen.

In einer solchen Situation verzieht man sich am besten. Im Kleiderladen in Brooklyn in die Umkleidekabine. Dort klebt doch tatsächlich ein Aufkleber eines Berner Rappers und spendet im Grunde folgenden Trost: Wenn die Berner Rapper nach New York ausgewandert sind, kann ich ja getrost wieder zurück nach Bërn.

Freitag, 22. Juni 2007

Schwul? Nö.

Am Montag beginnen die Prüfungen, ich Idiot habe acht, jetzt ist höchste Zeit zum Vorbereiten. Aber ich sitze vor den Büchern und schaffe es nicht zu lernen. Statt der Bedeutung von Paradigma und Syntagma kommt mir nur jene von Aareschwumm und Schlaf in den Sinn. Statt den konstruktivistischen Supranationalismus zu kennen, denke ich an Sonnencrème und Gurtenfestival. Da sagte ich mir: Dir will ich einen Grund geben zum Müde- und Unkonzentriertsein. Und wollte zum ersten Mal im Leben Blut spenden. 4,5 Deziliter abzapfen, etwas Gutes tun und dann eine Ausrede vor meinem eigenen Gewissen haben, warum ich zwei Tage lang wirklich nicht lernen könnte. Super Plan, olé.

Blutspendezentrum, lauter Wohltäter an kleinen Tischen, die gewissenhaft Fragen ausfüllen: Wechselnde Sexualpartner? Reisen in Malariagebiete? Schwul? Nö, nö, nö. Mit dem ausgefüllten Zettel setze ich mich zu einer Krankenschwester, die mich mit weiteren Fragen löchert. Ich räuspere mich. Ich! Räuspere! Mich! Das wars. Kein Blutspenden heute. «Sind sie erkältet?» Nicht wirklich. Glaube ich. «Kommen Sie in drei Wochen wieder, wenn alles auskuriert ist», sagt die Frau, und ich fühle mich ein bisschen wie von der Bettkante gestossen.

In drei Wochen sind die Prüfungen gerade vorbei, da kann ich unmöglich spenden. Da brauche ich keine Ausrede mehr. Sondern all mein Blut, das muss dann ganz viel Alkohol aufnehmen können.

Freitag, 8. Juni 2007

«Ihr seid jetzt Freunde»

In den letzten Wochen hat sich mein Leben dramatisch verändert. Ich habe ein Vielfaches an Freunden (31!) und mich selbst gefunden. Dabei habe ich mich nicht Gott zugewandt – sondern bloss der neuen Kirche der Studenten: studiVZ.net. Das Ding ist eine Internet-Community, wo man Fotos raufladen, einander Nachrichten schreiben und vor allem: die Ausgangsbekanntschaft von letzter Nacht abchecken kann (Ist sie schon vergeben? Liest er doofe Bücher von Paolo Coelho?)

Das Schönste daran aber sind die Gruppen, mit deren Mitgliedschaften man seine Identität erst richtig begründet. Die haben Namen wie: «Wir trinken Bier nur an Tagen, die mit ‹g› enden. Und mittwochs.» oder «Wir wollen das original Kinderschokolade-Kind zurück.» Aber nicht nur das ist schön. Auch hübsch: Jedes Mal, wenn jemand mich als «Freundin» hinzuklickt, erhalte ich ein E-Mail: «Ihr seid jetzt Freunde.» Olé. Freundschaft, abgesegnet von höchster Stelle.

Aber ich weiss es schon: StudiVZ wird den üblichen Tod einer meiner unzähligen Online-Communitys sterben. Mit der Zeit ists nicht mehr so lustig, und irgendwann verliere ich die Übersicht oder das Passwort.

Vielleicht sollte ich also doch zu Gott finden. Da braucht man kein Passwort. Aber da gibts halt auch nur Bibelgruppen. Und nicht solche mit Namen wie: «Anstatt zu lernen, mache ich immer irgendeinen Scheiss im Internet.»

Freitag, 25. Mai 2007

Cool bis zum Umfallen

Nächste Woche ist Unifest. Hurra! Wo sonst diskutiert, studiert, notiert und geschlafen wird, wird am 2. Juni für einmal gesoffen, geraucht, geknutscht und gekotzt. Olé!

Zuvor werden ich und meine Gspänli aber ein kleines Drama erleben. Dies, weil wir uns wie jedes Jahr viel zu cool fühlen, Tickets im Vorverkauf zu besorgen. So werden wir zwei Stunden in der Schlange vor der Abendkasse stehen, uns über Mitanstehende aufregen und über jene, die vordrängeln (so bünzlig sind wir). Ab und zu wird jemand Bier beim «Mappamondo» holen, und noch bevor wir drin sind, werden wir schön betrunken und die Konzerte vorbei sein. Endlich am Fest, werden wir harten Alkohol bestellen an Bars, die sehr bemüht nach einem extrem witzigen Motto («Deregulirium!?») dekoriert sind. Und wir werden lange warten auf unsere Getränke und uns zuflüstern, dass Studenten in der Gastronomie nichts taugen. Bald werden wir kein Geld mehr haben und Depotbecher sammeln oder anderer Leute Drinks klauen. Bis wir auf dem Velo irgendwie heimkommen, einmal mehr, o Wunder, ohne zu verunfallen.

Vielleicht sollte ich mal Tickets kaufen gehen. Dann würde vielleicht alles anders dieses Jahr. Aber wer will das schon?

Freitag, 11. Mai 2007

«Hesch nid chaut?»

An der Uni Bern ist das mit der Mode so: Wer ins Hauptgebäude geht, ist schick. Die Frauen tragen braune Lammlederjacken und hübsche Pullöverli. Tapfer stöckeln sie, teure Taschen am Arm baumelnd, mit hohen Absätzen über den Rasen der Grossen Schanze. Die Männer flanieren leger in Lacoste- und Polo-Shirts und V-Ausschnitt-Pullover. Alles signalisiert: Hier studiert das Geld von morgen. Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft eben. UniS: Modisch, gepflegt. Sehr teuer. Einen Jura-Studenten erkennt man von weit her.

Je weiter nach Unitobler, desto Hippie. Je bunter und mehr Kleidungsstücke übereinander, desto sozialer und humaner. Wer hier nicht mindestens drei Schichten trägt, wird auf seinen Fauxpas mit der Du-hast-aber-wenig-an-Frage aufmerksam gemacht: «Hesch nid chaut?»

Problematisch wirds, wenn man sich endlich an den Unitobler-Stil gewöhnt hat und dann eine Veranstaltung im Hauptgebäude besuchen muss. Noch in sauberen Jeans und neuen Turnschuhen fühlt man sich hier wie frisch ab dem Miststock.

Voller Vorfreude sehne ich mir den Sommer zurück. Wenns so richtig heiss ist, ziehen sogar die Sozialwissenschaftlerinnen die Jeans unter den Röcken aus. Und ich werde dann gar nicht mehr so fest auffallen.

Freitag, 27. April 2007

Zwei! Wochen! Ohne! Ausgang!

Plötzlich war alles wie neu.

Das Bier schmeckte frisch und nicht so schal wie sonst.

Die Leute sahen nicht so aus, als hätte ich sie schon tausendmal in tausend Donnerstag-, Freitag- und Samstagnächten gesehen.

Die Gespräche mit Menschen, die ich wirklich noch nie bei Tageslicht gesehen hatte, waren plötzlich interessant und nicht so oberflächlich, wie sie mir noch bei meinem letzten richtigen Ausgang vorgekommen waren. Zum ersten Mal fühlte ich denn auch keinen Zwang, scheinheilig gleich wieder wegzuschauen, wenn ich eine solche namenlose Halbbekanntschaft erblickte.

Die Musik war gut, richtig, richtig gut.

Der Rauch war gar nicht so schlimm, und auch der Gedanke an die miefenden Kleider und den Kater vom nächsten Tag war plötzlich fast erfreulich.

Kurz: Als ich neulich nach langer Zeit wieder einmal im Ausgang war, schien alles wie neu und wie gut. Und ich kam zum Schluss: Ich sollte öfters mal eine Zeit lang nicht ausgehen. Denn erst wenn man etwas nicht mehr hat, weiss man doch, wie sehr man es eigentlich schätzt. Den nächsten Prüfungen im Juni sehe ich deshalb erstmals einigermassen optimistisch entgegen. Nicht weggehen ist gar nicht so schlecht.

Früher dachte ich immer, zwei Wochen ohne Ausgang müssten eine Ewigkeit sein.