Donnerstag, 3. April 2014

Antizyklischer Hipsterpuffer












Wer - wie ich - auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, der hatte "regional und saisonal", bis ihm die Ohren wackelten. Jedes Mal grosse Vorfreude auf die neue Jahreszeit, und dann im Frühling Spargeln, bis man den Schwefelgeruch beim Bislen nicht mehr ertragen konnte, im Sommer so viele Beeren an den Sträuchern, dass einem das Schnouse beim Ablesen verleidete, im Herbst Kürbis bis zur Gelbsucht und im Winter Randen, Rüebli und Sellerie, dass man selbst fast Wurzeln schlug.

Also fand ich es erst einmal sehr lächerlich, als ich vor einigen Jahren das erste Mal eine Menükarte sah, auf der sehr stolz die Schlagworte "regional und saisonal" verzeichnet waren. Wie bitte? Ist doch selbstverständlich, dass man im Februar keine Cherrytomaten serviert und dass der Koch den Metzger kennt! Schliesslich sind Gastronomen Lebensmittelprofis, das ist ihr Job. Von den normalen Konsumenten kann man längst nicht mehr verlangen, dass sie wissen, wann die Erdbeersaison anfängt und wie die Schweine und Rinder gelebt haben, die abgepackt bei Lidl und Aldi und M-Budget landen. Aber hallo, ein Wirt?












Dann wurden die beiden Adjektive schleichend zu einer Art Qualitätsmerkmal, fast so wie bio. Obschon es noch relativ wenig über die Qualität einer Tomate aussagt, ob sie in Kerzers in einem Gewächshaus gezüchtet wurde oder in Italien auf einem Feld. Und nicht einmal die Ökobilanz ist ganz unumstritten. Mais bon.

Inzwischen ist es überall. Ohne "regional und saisonal" darf glaubs heute gar keine Beiz mehr eröffnen. Die ganz Regionalen schreiben noch den Namen vom Gemüsebauer und vom Metzger hin. Das gehört inzwischen auf eine gepflegte urbane Menükarte wie Luna-Llena-Glace. Und so verbreitet wie es inzwischen ist, so abgenutzt ist es auch langsam.

Natürlich, nicht falsch verstehen: Ich find das gut! Ich bin ein Bauerngoof, und froh, ist das Land wieder in. Aber mich ermüdet dieser Stolz, dieses Vorzeigen. "regional und saisonal" allein ist noch kein Konzept, noch keine Küche, noch kein Qualitätsmerkmal.

Ein bisschen fänd ich es ja jetzt sehr geil, wenn jemand ein Restaurant eröffnen würde, in dem es nur Sachen von sehr weit weg gäbe. Ananas. Granny Smith. Guacamole. Möglichst glutenhaltiges Zeug aus Weizen aus Nordamerika. Bier aus einer Grossbrauerei aus Holland. Und norwegischer Lachs. Hihihi. Das gäbe ein Theater! Aber es wäre ganz bestimmt ein antizyklischer Hipsterpuffer.

Und übrigens, Bärte wären verboten.


PS: Wenn ihr mal wirklich gut regional und saisonal essen wollt, dann geht hierhin. Die machen das nicht erst, seit es trendy ist, sondern seit fünf Generationen. Und gutes Fleisch zum zu Hause Brätlen gibts in Bern beim Lehmann.



3 Kommentare:

  1. i like v m
    Habe letztes Wochenende bei meiner Mutter Farn und Pflanzensammlungen im Garten entdeckt - der neuste Hit bei den Urban Gardeners - und ich musste e chli gähnen.

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  2. also nicht wegen dem Garten meiner Mutter..

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  3. Eine solide Basis, auf der Led Zeppelin ein Lied schreiben könnten. Ich würde es gerne hören, aber der Herr Robert und der Herr Jimmy reden ja nicht mehr so gerne miteinander. Also sind wir – wie so oft – auf uns «L.A.» gestellt.

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