Freitag, 5. Juli 2013

Die schöne Reise

Schon lange wollte ich noch etwas über unsere schöne, schöne Reise schreiben. Sie führte uns im April und Mai über den Balkan bis nach Griechenland und Istanbul (eine Woche bevor die Proteste begannen). Der Nachtzug von Zürich nach Zagreb ist billig und bequem, von da an nahmen wir Busse, mit denen wir zuverlässig und komfortabel fast überallhin gelangten. Man muss halt einfach am Busbahnhof fragen.

Hier ein paar Fotos. Und hier.
Was von dieser Reise bleiben wird (man muss das nicht unbedingt lesen. Aber vielleicht interessiert es ja jemanden).

In Zagreb staunen wir im Museum of Broken Relationships stundenlang über die Überbleibsel von kaputten Beziehungen. Unterwegs nach Plitvice können wir, naiv, wie wir sind, es kaum fassen, dass diese Flecken in den Hausfassaden tatsächlich Einschusslöcher sind. Im schon fast lächerlich schönen Zadar sitzen wir erst stundenlang im Café Kulta, dann später bei der Meeresorgel, die klingt, als würde ein überdimensionaler Südamerikaner völlig untalentiert auf einer ebenso gigantischen Panflöte rumblasen. In Split essen wir den besten Fisch unseres bisherigen Lebens in der Konoba Matejuska.

Im bosnischen Mostar sind wir plötzlich sehr weit weg von der Unbeschwertheit und Leichtigkeit der Adria: Die geteilte Stadt ist bedrückend, die wieder aufgebaute berühmte Brücke ein seltsames Mahnmal des Schreckens; wir ziehen uns in unser hübsches Hotel zurück wie in ein Schneckenhaus. In Sarajevo können wir uns kaum vorstellen, wie die vierjährige Belagerung dieser Stadt gewesen sein muss. Immer wieder blicken wir ungläubig zu den Hügeln, von denen aus die Bewohner damals beschossen wurden. Auf einer Stadtführung (Inside-Tour), im historischen Museum, im abgelegenen Tunnel-Museum, in der Srebrenica-Galerie und bei einem Besuch auf der Deza-Vertretung saugen wir alle Informationen dazu auf und können es doch nicht fassen. Gleichzeitig sind wir erstaunt ob der Lebendigkeit dieser Stadt, selbst am Montagabend sind die Cafés voller junger Menschen. Aber ja: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent. Wir essen Börek, Börek, Börek.

Der Zug zurück an die Küste, nach Ploce (Kroatien), fährt einmal am Tag, am frühen Morgen. Im Bahnhof darf man nicht fotografieren. Der schwedische Zug rührt uns in seinem Alter. Vor uns im Abteil raucht ein alter Mann, wir schlängel uns durch bewaldete Hügel, passieren Tunnels und hübsche Steinbrücken und könnten so ewig weiterfahren.

In Ploce steigen wir in den Bus nach Dubrovnik um, Dubrovnik, diese von fetten, sonnenverbrannten Kreuzfahrt-Touristen verdorbene Schönheit! Hier baden wir am Sveti-Jakov-Strand, vor uns diese bezaubernde Stadt, hier essen wir das beste Pistazien-Glace der ganzen Reise (der Laden heisst "Gossip" und liegt an der Hauptgasse), hier gehen wir über die sagenhafte Stadtmauer, hier befassen wir uns abermals mit dem Krieg, in der War-Photographer-Galerie des Neuseeländischen Fotografen Wade Goddard begreifen wir erst, was in Mostar in den 90er-Jahren passiert ist.

In Kotor (Montenegro) klettern wir auf die Festung und essen in jenem Nobelrestaurant, das der montenegrinische Premierminister jeweils beehrt, wenn der Fischer einen besonderen Fang gemacht hat (Galion). In Podgorica sind wir vor allem froh, wenn wir wieder weg sind: Ein Taxi fährt uns an die Grenze (Hani i Hotit), den Zoll passieren wir zu Fuss, auf albanischer Seite steigen wir in unseren ersten Mercedes, unser Fahrer fährt viel zu schnell, überholt Pferdewagen, hupt der Polizei und bringt uns mit mehreren Beinahe-Frontalkolisionen fast um. In Shkoder bleiben wir nicht lang. Tirana empfängt uns mit grosser Hitze und Gleichgütigkeit. Wir mögen es hier auf seltsame Art sehr, die heruntergekommenen sozialistischen Prachtsbauten, die mit Müll gefüllten Löcher überall, die seltsame Sicherheit, die wir unterwegs auf der Strasse empfinden. Wir schlafen in unserem hübschen Hotel kaum, die Disco gegenüber spielt die ganze Nacht den neuen Daft-Punk-Song.

In Berat besuchen wir die Burg und sehen in der Ferne an einem Hügel die Buchstaben "NEVER", gigantisch in den Fels gekratzt. Einst stand da "ENVER" (für den Diktator Enver Hodscha), die Leute haben es nach seinem Tod abgeändert. Zu nachtschlafender Zeit verlassen Albanien mit seinen Bauruinen, seinen Bunkern und Problemen, den vielen Mercedes, den schlechte Strassen, den armen Tieren, der verschmutzten Natur. Wir werden irgendwann wiederkommen.

Irgendwie (mit Furgon, Taxi und zu Fuss) schaffen wir es über die Grenze nach Mazedonien. Die Schönheit des Reisens: Ziel erreicht. Jeden Tag. In Ohrid stolpern bei jedem Schritt über eine byzantinische Ruine. Das uncharmante Skopje ist, mit seinem megalomanischen Skulpturenpark im Zentrum, kein Ort, um zu bleiben. Wir fahren für einen Tag nach Pristina, wo die Kosovaren gerade paradoxerweise wohl als einzige Europäer den EU-Tag feiern.

In Tessaloniki stolpern wir über antike Ruinen und trinken mit der Jugend. Wir fahren ins Paradies, nach Vourvourou, Chalkidiki. Strand. Meer. Sonne. Gefüllte Weinblätter. Schönheit. Doofe Hotelgäste.



Nach einer Nacht im Bus sind wir in Istanbul, dieser wahnsinnigen Stadt, wir sind überwältigt und beeindruckt und froh, ist gerade das unser letztes Ziel. Wir wohnen in Beyoglu, essen in der Lokanda Helvetia, im Refik, im Leb-i Derya, frühstücken fantastisch in der Mangerie Bebeck, tuckern auf dem Bosporus herum, laufen uns die Füsse kaputt, schauen und staunen, lernen das feine Menemen schätzen. Kehren heim.

Gut wars.

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