Mittwoch, 30. November 2011

Der Gutscheinpöbel gönnt sich bisschen Wellness

Jedes Jahr schwöre ich mir aufs Neue, nie mehr Wellness zu machen, so lange ich nicht genug Millionen habe, um mir ein eigenes Spa zu leisten. Und jedes Jahr, wenn es kalt wird, vergesse ich den guten Vorsatz wieder und denke, hach, so Sauna wär doch jetzt schön, oder im Whirlpool liegen bis die Finger schrumplig sind! Deshalb zückte ich auch sofort die Kreditkarte, als es auf einem dieser schlimmen Gutscheinportale einen Wellnesstag in einem recht neuen Zürcher Superspa zum halben Preis gab.

Und es fing ja auch schön an, es gab Tüechli und Bademantel und alles war wohlriechend und sauber und vor allem: fast leer. Weil ich war früh dran, und wer sonst will schon am Vormittag wellnesslen. Das war super, denn das Doofe an Spas sind ja immer die anderen Leute. Der Mensch sollte einfach nicht nackt mit Fremden zu tun haben müssen (ausser natürlich wers mag). Sehr lebhaft ist mir noch die Szene in Erinnerung, als mich ein junger, füdleblescher Mann in der Sauna mit den legendär doofen Worten ansprach: "Bist du öfters hier?" Oder die Frau im Wellnessbereich eines Berner Fitnessstudios, die sich nackt auf der Terrasse sonnte, die Beine gespreizt - offensichtlich wollte sie an einer ganz bestimmten Stelle braun werden.

Aber diesmal würde es anders sein, weil hier musste man Badeanzug tragen, wie auf einem Schild deutlich zu lesen war. Allerdings konnten die armen Leute in dem Spa nicht lesen, und so kam ich zuerst mal in den Genuss des Anblicks zweier nicht sehr subtil gemachter Riesenbrüste, das war unterhaltsam. Und dann kam dieses Paar.

Bei der Kombination "Paar" und "Wellness" läuten bei mir immer alle Alarmglocken. Was ich im Solebad schon alles gesehen habe, pfui. Und die dummen Paare meinen natürlich, dass es niemand merkt. Aber dieses Spa-Päärli war schon etwa 40 und so Typ Geisteswissenschaftler; die Frau mit einem dieser stoffigen, voluminösen Haargummi, klassischer Doktoranden-Style. Und im Gegensatz zu der Frau mit den Kunstbrüsten mochte es die Germanistin eher natürlich. In jeder Hinsicht. Ich dachte: die sind sicher in Ordnung.

Bis ich später am Heublumen-Dampfbad vorbeilief, in der es sich die zwei, naja, offensichtlich sehr gut gehen liessen.

Ich schaute schnell weg und wurde glaubs ein bisschen rot. Und genau das ist es, was mich am meisten nervt an exhibitionistischen Menschen: Dass sie es eigentlich sein sollten, denen es peinlich ist, sie aber im Gegenteil die höflichen Menschen dazu bringen, sich doof vorzukommen. Hat nichts mit Verklemmtheit zu tun, behaupte ich. Man sollte einfach nicht von fremder Leute Intimsphäre belästigt werden. Den Rest meines Spa-Aufenthaltes konzentrierte ich mich deshalb darauf, dem Paar (bestimmt auch so Gutscheinpöbel wie ich!) möglichst aus dem Weg zu gehen. Wie doof, wie verkrampft, aber hey, was soll man sonst tun? Ich muss das nicht sehen.

Der Wellnesstag war schliesslich trotzdem schön, ich war blitzblank und müde und schrumpelig. Und ich schwörte mir einmal mehr: nie mehr öffentliches Spa.

Ich schreib dann wieder drüber, nächstes Mal, etwa in einem Jahr.

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