Freitag, 22. Juni 2007

Schwul? Nö.

Am Montag beginnen die Prüfungen, ich Idiot habe acht, jetzt ist höchste Zeit zum Vorbereiten. Aber ich sitze vor den Büchern und schaffe es nicht zu lernen. Statt der Bedeutung von Paradigma und Syntagma kommt mir nur jene von Aareschwumm und Schlaf in den Sinn. Statt den konstruktivistischen Supranationalismus zu kennen, denke ich an Sonnencrème und Gurtenfestival. Da sagte ich mir: Dir will ich einen Grund geben zum Müde- und Unkonzentriertsein. Und wollte zum ersten Mal im Leben Blut spenden. 4,5 Deziliter abzapfen, etwas Gutes tun und dann eine Ausrede vor meinem eigenen Gewissen haben, warum ich zwei Tage lang wirklich nicht lernen könnte. Super Plan, olé.

Blutspendezentrum, lauter Wohltäter an kleinen Tischen, die gewissenhaft Fragen ausfüllen: Wechselnde Sexualpartner? Reisen in Malariagebiete? Schwul? Nö, nö, nö. Mit dem ausgefüllten Zettel setze ich mich zu einer Krankenschwester, die mich mit weiteren Fragen löchert. Ich räuspere mich. Ich! Räuspere! Mich! Das wars. Kein Blutspenden heute. «Sind sie erkältet?» Nicht wirklich. Glaube ich. «Kommen Sie in drei Wochen wieder, wenn alles auskuriert ist», sagt die Frau, und ich fühle mich ein bisschen wie von der Bettkante gestossen.

In drei Wochen sind die Prüfungen gerade vorbei, da kann ich unmöglich spenden. Da brauche ich keine Ausrede mehr. Sondern all mein Blut, das muss dann ganz viel Alkohol aufnehmen können.

Freitag, 8. Juni 2007

«Ihr seid jetzt Freunde»

In den letzten Wochen hat sich mein Leben dramatisch verändert. Ich habe ein Vielfaches an Freunden (31!) und mich selbst gefunden. Dabei habe ich mich nicht Gott zugewandt – sondern bloss der neuen Kirche der Studenten: studiVZ.net. Das Ding ist eine Internet-Community, wo man Fotos raufladen, einander Nachrichten schreiben und vor allem: die Ausgangsbekanntschaft von letzter Nacht abchecken kann (Ist sie schon vergeben? Liest er doofe Bücher von Paolo Coelho?)

Das Schönste daran aber sind die Gruppen, mit deren Mitgliedschaften man seine Identität erst richtig begründet. Die haben Namen wie: «Wir trinken Bier nur an Tagen, die mit ‹g› enden. Und mittwochs.» oder «Wir wollen das original Kinderschokolade-Kind zurück.» Aber nicht nur das ist schön. Auch hübsch: Jedes Mal, wenn jemand mich als «Freundin» hinzuklickt, erhalte ich ein E-Mail: «Ihr seid jetzt Freunde.» Olé. Freundschaft, abgesegnet von höchster Stelle.

Aber ich weiss es schon: StudiVZ wird den üblichen Tod einer meiner unzähligen Online-Communitys sterben. Mit der Zeit ists nicht mehr so lustig, und irgendwann verliere ich die Übersicht oder das Passwort.

Vielleicht sollte ich also doch zu Gott finden. Da braucht man kein Passwort. Aber da gibts halt auch nur Bibelgruppen. Und nicht solche mit Namen wie: «Anstatt zu lernen, mache ich immer irgendeinen Scheiss im Internet.»

Freitag, 25. Mai 2007

Cool bis zum Umfallen

Nächste Woche ist Unifest. Hurra! Wo sonst diskutiert, studiert, notiert und geschlafen wird, wird am 2. Juni für einmal gesoffen, geraucht, geknutscht und gekotzt. Olé!

Zuvor werden ich und meine Gspänli aber ein kleines Drama erleben. Dies, weil wir uns wie jedes Jahr viel zu cool fühlen, Tickets im Vorverkauf zu besorgen. So werden wir zwei Stunden in der Schlange vor der Abendkasse stehen, uns über Mitanstehende aufregen und über jene, die vordrängeln (so bünzlig sind wir). Ab und zu wird jemand Bier beim «Mappamondo» holen, und noch bevor wir drin sind, werden wir schön betrunken und die Konzerte vorbei sein. Endlich am Fest, werden wir harten Alkohol bestellen an Bars, die sehr bemüht nach einem extrem witzigen Motto («Deregulirium!?») dekoriert sind. Und wir werden lange warten auf unsere Getränke und uns zuflüstern, dass Studenten in der Gastronomie nichts taugen. Bald werden wir kein Geld mehr haben und Depotbecher sammeln oder anderer Leute Drinks klauen. Bis wir auf dem Velo irgendwie heimkommen, einmal mehr, o Wunder, ohne zu verunfallen.

Vielleicht sollte ich mal Tickets kaufen gehen. Dann würde vielleicht alles anders dieses Jahr. Aber wer will das schon?

Freitag, 11. Mai 2007

«Hesch nid chaut?»

An der Uni Bern ist das mit der Mode so: Wer ins Hauptgebäude geht, ist schick. Die Frauen tragen braune Lammlederjacken und hübsche Pullöverli. Tapfer stöckeln sie, teure Taschen am Arm baumelnd, mit hohen Absätzen über den Rasen der Grossen Schanze. Die Männer flanieren leger in Lacoste- und Polo-Shirts und V-Ausschnitt-Pullover. Alles signalisiert: Hier studiert das Geld von morgen. Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft eben. UniS: Modisch, gepflegt. Sehr teuer. Einen Jura-Studenten erkennt man von weit her.

Je weiter nach Unitobler, desto Hippie. Je bunter und mehr Kleidungsstücke übereinander, desto sozialer und humaner. Wer hier nicht mindestens drei Schichten trägt, wird auf seinen Fauxpas mit der Du-hast-aber-wenig-an-Frage aufmerksam gemacht: «Hesch nid chaut?»

Problematisch wirds, wenn man sich endlich an den Unitobler-Stil gewöhnt hat und dann eine Veranstaltung im Hauptgebäude besuchen muss. Noch in sauberen Jeans und neuen Turnschuhen fühlt man sich hier wie frisch ab dem Miststock.

Voller Vorfreude sehne ich mir den Sommer zurück. Wenns so richtig heiss ist, ziehen sogar die Sozialwissenschaftlerinnen die Jeans unter den Röcken aus. Und ich werde dann gar nicht mehr so fest auffallen.

Freitag, 27. April 2007

Zwei! Wochen! Ohne! Ausgang!

Plötzlich war alles wie neu.

Das Bier schmeckte frisch und nicht so schal wie sonst.

Die Leute sahen nicht so aus, als hätte ich sie schon tausendmal in tausend Donnerstag-, Freitag- und Samstagnächten gesehen.

Die Gespräche mit Menschen, die ich wirklich noch nie bei Tageslicht gesehen hatte, waren plötzlich interessant und nicht so oberflächlich, wie sie mir noch bei meinem letzten richtigen Ausgang vorgekommen waren. Zum ersten Mal fühlte ich denn auch keinen Zwang, scheinheilig gleich wieder wegzuschauen, wenn ich eine solche namenlose Halbbekanntschaft erblickte.

Die Musik war gut, richtig, richtig gut.

Der Rauch war gar nicht so schlimm, und auch der Gedanke an die miefenden Kleider und den Kater vom nächsten Tag war plötzlich fast erfreulich.

Kurz: Als ich neulich nach langer Zeit wieder einmal im Ausgang war, schien alles wie neu und wie gut. Und ich kam zum Schluss: Ich sollte öfters mal eine Zeit lang nicht ausgehen. Denn erst wenn man etwas nicht mehr hat, weiss man doch, wie sehr man es eigentlich schätzt. Den nächsten Prüfungen im Juni sehe ich deshalb erstmals einigermassen optimistisch entgegen. Nicht weggehen ist gar nicht so schlecht.

Früher dachte ich immer, zwei Wochen ohne Ausgang müssten eine Ewigkeit sein.