Nach einigen Jahren durch unsteten Lebenswandel bedingte Abstinenz mache ich seit ein paar Wochen wieder Yoga. Das hat sich irgendwie verändert. In dem Kurs früher waren noch lauter junge Tüpfis und Yummy Mummies, und vor allem: nur Frauen. Jetzt bin ich plötzlich mit lauter Ü-60-Jährigen am Üben, und manchmal hats fast mehr Männer als Frauen. Zum Glück habe ich also davon abgesehen, mit dem ironischen Augenzwinkern der popkulturellen Elite mein Tigerbaby-Kitsch-Badetuch mitzunehmen. Denn in der ersten Lektion hatten zwei Männer wirklich solche Tigertücher dabei, völlig unironisch, einer sogar eines mit weissen Tigern. Ich schmunzelte ganz für mich allein ein elitäres Schmunzeln.
Nach einigen Stunden mit einer Stellvertreterin, die alle gar nicht gern mochten, ausser ich, ist dann die richtige Yoga-Lehrerin wieder zurückgekehrt, von einem Segeltörn anscheinend, sehr braungebrannt. Yoga-Lehrerinnen haben es nicht leicht in meiner Anspruchswelt, denn sie müssen nicht nur Schlangenmenschen sein, sondern auch noch sehr gut aussehen: leuchtende Vorbilder will ich haben. Nun, ich bin nicht unzufrieden. Und meine älteren Mitübenden offenbar auch nicht, sie sind alle sehr angetan von der Frau Lehrerin und bringen ihr Schoggi mit und wollen ihr alle offenbar sehr gefallen, es ist wie früher in der Primarschule.
Insbesondere versuchten ihr alle zu schmeicheln, indem sie über die Vertretungslehrerin ablästerten. Nicht ohne plötzliche, völlig unnachvollziehbare Themenschlenker auf die eigene Gesundheit. Diese Menschen kennt man doch: Kein Anlass ist abwegig genug, um nicht plötzlich auf das marode Knie oder den schlechten Rücken zu sprechen zu kommen. Was ist wohl das Ziel solcher Jammertiraden? Aufmerksamkeit? Mitgefühl? Mitleid? Schön sind auch immer Fragen aufwerfende Satzfetzen, Beispiel von vor der Yogalektion: Jemand macht einen Scherz, alle lachen. Dann ein Mann im Fallschirmstoff-Trainingsanzug: "Das ist schön, ich habe ja sonst nicht viel zu lachen."
Erst kurz Pause. Wie wäre es nur, wenn darauf jetzt niemand eingehen würde! Dann aber fasst sich die Yogalehrerin ein Herz und fragt die Pflichtfrage: "Was ist denn?"
Ich beobachtete das Geschehen mit einigem Unbehagen. Doofer Kurs, doofe Mitschüler, doof, doof, doof. Ich war ganz und gar unentspannt, als dann endlich der Unterricht begann, bei dem ich mich gleich nochmals ärgern musste, weil die Yoga-Lehrerin nicht nur mit der Stimme sprach, die Birgit Steinegger benutzt, um jemanden nachzumachen, sondern auch die bei mir verhasste Technik des Mit-Du-Anredens anwandte: "Du nimmst jetzt das rechte Bein und ..." - so, als würde sie jeden von uns persönlich ansprechen, dabei weiss ja jeder, dass sie das nicht tut, sondern die ganze Gruppe, und solche Affektiertheit mag ich nicht! Warum nicht einfach: "Jetzt hebt ihr die Arme ..."?
Dann habe ich keine Zeit mehr, mich aufzuregen, weil Bein da, Arm dort, Kopf so, Fuss so, ich so: Aha, deshalb mache ich Yoga. Und dann macht mir die Yogalehrerin am Ende auch noch ein Kompliment, das das Wort "Körperspannung" enthält, ich freue mich wie eine Primarschülerin, und - hat irgendjemand meinen Zorn gesehen? Hallo?
Samstag, 13. März 2010
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