Samstag, 1. Februar 2014

Bern, du Dorf


Woran man merkt, dass Zürich eine Weltstadt ist und Bern ein Furz in der Landschaft? Daran, dass es nur eine richtige Bar gibt? Oder einen guten Laden? Daran auch.

Aber das wahre untrügerische Anzeichen ist: Es existiert in Bern kein einziges Frühstückslokal, das diesen Namen verdient. Zmorge gibts in Bern grundsätzlich nur am Wochenende, und dann bekommt man hier bestenfalls ein Gipfeli mit Anke und Gonfi. Ein "grosses" Frühstück hat noch ein Ei dabei und kaltes Fleisch und Käse. Der Gipfel (sic) der Originalität ist ein Schälchen Humus, immerhin, ich liebe ja Humus sehr, aber ehrlich, Berner Gastronomie: Ist das alles, was dir einfällt?

Meh.

Zürich hingegen. (Ich weiss, Zürich-Lob kommt in Bern ganz schlecht an, das ist wegen des Minderwertigkeitskomplexes, dann werden abgeschmackte Sprüche laut wie "das beste an Zürich ist der Zug nach Bern, höh höh höh.") Zürich spielt frühstückstechnisch in einem anderen Stadion, wenn nicht gar in einer anderen Liga oder Sportart. Mir fallen auf Anhieb mindestens drei Cafés ein, die ein einfallsreicheres, ausgefeilteres und feineres Zmorge anbieten, als ich es in Bern jemals gegessen habe. Da gibt es Avocado-Fächer mit Sauerrahm. Orientalische Häppchen. Crêpes. Müesli. Und das j.e.d.e.n. T.a.g.!

Ja ja, jetzt sagt ihr natürlich: Bern ist auch ein Vielfaches kleiner als Zürich! Das rentiert hier nicht, die Nachfrage ist viel zu klein! Aber ein Angebot vermag doch auch eine Nachfrage zu generieren, nicht nur umgekehrt, das habe ich doch richtig gelernt in meinem Grundstudium in all den endlosen Stunden Makro und Mikro?

Ist mir schon klar, Zürich spielt denk ein bisschen Grossstadt mit diesem Angebot. Aber: Wenn man nur lange genug so tut als ob, werden manche Dinge plötzlich Wirklichkeit. Wer nur lange genug lächelt, fühlt sich besser; wer so tut, als wäre er sportlich, wird es mit der Zeit - und Städte, die sich geben wie Grossstädte, sind es irgendwann auch. Merk dir das, Bern.

Jeden Tag frühstücken bis spät ist selbstverständlich ein Hipster-Anliegen, das hat mal jemand in Berlin gesehen und mitgebracht. Wer seinen Dienstagsbrunch auf Instagram stellt, signalisiert auch: Oh, ich bin im Fall ein Freigeist und Mac-Arbeiter und mein eigener Chef und arbeite am besten nachts an meinen "Projekten", ich kann es mir (zeit- und geldmässig) leisten, an einem Wochentag stundenlang in einem Café zu sitzen, so ist halt mein Leben! - Ehrlich, wer kann das schon mit einem 9-to-5-job, und das sind ja dann doch noch die meisten hier.

Trotzdem. Es wäre schön, wenn es mal endlich jemand versuchen würde.  Ich wäre die erste und eine treue Kundin eines richtigen Berner Zmorgelokals. Und ich würde wahnsinnig Werbung machen, versprochen. Es wäre ein kleiner Schritt für die Welt, aber ein riesiger Schritt für Bern in Richtung Stadt.



PS: Kunden, die diesen Artikel gut fanden, mochten auch diesen da: Have I told you lately that I love breakfast?

PS2: Fotos aus der Serie
Untitled (Random Words Sounding Deep And Meaningful), 2012/2013, © C. L.




1 Kommentar:

  1. Ich mag deine Worte über Züris Zmorgekultur - und immer wenn ich neume lese, wie toll, grosskulturig, oder einfach ungemein urban die Limmatstadt sei, werd ich auf etwas peinliche Weise stolz und erhebe eifrig Anspruch, eben dann doch eine von dort zu sein. Lustig, diese späten Anflüge müder und trotziger Identitätssuche! Wir müssen trotzdem bald mal Zmorgetipps austauschen, oder besser, mal zusammen testen, hihi! bisou, dunja

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