Mittwoch, 24. Oktober 2012

Freude ist das neue Cool

Mit horrender Verspätung eine kleine Kritik eines Konzerts, das in mir immer noch nachhallt.


Ich glaube, es war meine originelle Grossmutter, die mir mal sagte, sie möge Menschen mit grossen Mündern. Die seien weniger verkniffen als solche mit kleinen Müüli. Und darüber hinaus sei es schöner. Daran musste ich denken, als ich am Donnerstag den Sänger von We Are Augustines im Frison sah. Bei jedem einzelnen, schönen, schmerzlichen "Yeah!", und davon gibts viele in den Songs dieser Band, die gern ein bisschen theatralisch ist, also dieser Billy McCarthy vor allem, der sich auch mal mit Hut und Jeansjacke in Opernsängerpose wirft. Und die so fröhlich und kraftvoll spielte, wie ich das schon ein Weilchen nicht gesehen hatte.

Da wo der kleine Finger ist, könnte man den Mund sehen, aber eben.
Und das war jetzt nun wirklich eine Überraschung. Denn erwartet hatte ich, nach der Vorgeschichte dieses Billy McCarthy (die psychisch kranke Mutter hat sich umgebracht, als er 19 war, einige Jahre später auch der Bruder, ein diagnostiziert Schizophrener, der sich nach fünf Jahren Einzelhaft in Folsom Prison erhängte) - erwartet hatte ich einen traurigen Mann, der vielleicht ein bisschen schwierig ist und kein Wort zum Publikum sagt. Danke, Klischeevorstellung.

Es war dann super und eines der besten Konzerte ever, was bei diesen Erst-ein-Album-draussen-Bands ja nun wirklich nicht selbstverständlich ist (ich sage nur: Mumford). Es mag mit dem anstehenden Tourende nach 15 Monaten zu tun gehabt haben, aber die Band war freundlich, ausgelassen, emotional und machte dem Publikum die ganze Zeit Komplimente ("Ihr seht so gut aus! Und, ohne Namen zu nennen, das konnten wir nicht zu jedem Publikum auf der Tour sagen!" oder "Wir werden euch vermissen!", etwa zehn Mal.) Zumal diese Band aus Brooklyn stammt, möchte ich fast sagen: Freude ist wohl das neue Cool.

Und die Musik war grossartig und sie hatten einen der guten Bläser, einen Posaunisten (Trompeten + Posaune = gut, Saxophon + Klarinette = doof), der die ganze Zeit ein Gesicht machte, als wäre er grad an einer Fashion Show auf dem Laufsteg; und die Basslinien waren wundervoll und ich war sehr glücklich. Und hätte ich nicht noch heimfahren und am nächten Tag früh arbeiten müssen, wäre ich noch ganz lange tanzen gegangen in der Disco, wo der Bassist später noch als DJ auftrat. Hach. Danke lieber Manu für den guten Tipp, schade konntest du nicht auch kommen. Super Band. Hören. Videos schauen. Kaufen. Lieben.



PS: "It feels like running down the street, screaming out your diary" - Interview mit Billy McCarthy.

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