Mittwoch, 13. Januar 2010

Heavy Hearts

"Es gibt ja so Tage, da hat man so 'nen inneren November." Das sagt der Stromberg, und ich finde diese Serie doof und klischiert und allzu Deutsch, aber diesen Satz hübsch. Den würde ich glatt in ein Poesie-Album schreiben, wenn mir heute jemand eines geben würde zum Reinzeichnen und Aphorismen reinschreiben. Das sollte man nämlich wieder machen, Poesie-Alben führen und austauschen, auch unter Erwachsenen, unter Arbeitskollegen etwa. Als Kind, schon damals ein Klugscheisser, wusste ich noch nicht, was Poesie ist, und ich glaubte, es heisse "Pösie-Album" (weil o + e = ö), und meine Gotte ist dann gar nicht drausgekommen, als ich mir ein Pösie-Album zum Geburtstag wünschte. (Dafür bin ich dann nicht drausgekommen, als wir bei ihr mal "Pasl" spielen sollten. Für mich hiess Puzzle eben (phonetisch): Putzlé.)

Mag mir nicht jemand sein Poesie-Album geben? Ich hätte ganz viel auf Lager zum Dreinschreiben, weil ich mich grad ein wenig in eine neue deutsche Musik verliebt hab dieser Tage, sie stammt von einem Sänger mit dem irreführenden Namen Gisbert zu Knyphausen, der ist natürlich aus Hamburg und nicht Berlin und seine Lieder haben sehr wahre Dings drin wie z.B.

Und wir trinken immer viel zu viel,
Und wir sehn gut dabei aus,
Ja wir trinken mit Stil
Und wir warten auf den Taumel der Nacht
Wenn das Licht ausgeht
Und unsere trunkene Seele erwacht

Ist das euch jetzt zu kitschig? Schon ein wenig, gell? Nun, ich bin ja normalerweise allergisch auf Kitsch, ich kriege davon beissenden Ausschlag, dafür bin ich sehr empfänglich für Pathos, und ich glaube, bisher juckt es mich noch nirgends. Aber vielleicht bin ich einfach im Moment auch so schrecklich anfällig für solchen Kram, weil: Heavy Heart.

Ich erklär das jetzt mal, so ganz tagebuchmässig.

Also. Ich stell mir das Leben ja so vor wie in den James-Frey-Büchern oder den Bright-Eyes-Liedern oder gewissen Filmen, deren Namen mir jetzt grad nicht einfallen. Es tut ein bisschen weh und überfährt einen manchmal und manchmal überwältigt es einen und lässt einen den Atem anhalten und manchmal ist es traurig und macht einen heulen oder auch nur dumpf an die Wand starren. Auf jeden Fall ist es intensiv und tragisch und romantisch und anstrengend und geht tief.

Aber das Leben ist eben kein Film, kein Lied und kein Buch, sondern im Grunde nur eine Aneinanderreihung profaner Handlungen und Ereignisse. Essen Schlafen Zähne Putzen Pinkeln Arbeiten Fernsehen Ausgehen Trinken. Und die Menschen sind auch überhaupt nicht so liebenswürdig wie in meinem Kopf drin, sondern dumm und schmutzig. Und damit kann ich irgendwie schlecht umgehen, mit der Sehnsucht nach einer Intensität, die anhält, was aber wiederum ja dem Wesen der Intensität ganz grundsätzlich widerspricht.

Was macht man da nur, mit solchen doofen Teenagerproblemen? Liebe Martha? Liebe Anna? Supernanny? Wenn mich jemand versteht, dann möge er mir einen Heiratsantrag machen, und wenn das jetzt jemand doof und peinlich findet, dann soll er halt was andres lesen, so.

("Und jetzt schau nicht so gequält - das sieht scheisse aus.")

11 Kommentare:

  1. Mä schnallts, aber hey, nur mit Ehevertrag!

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  2. Mehr von dem! Und ich werde nichts anderes als Ihre Texte lesen. Für immer! Und wenn Sie erwachsen sind, werde ich bei Ihrem Vater um Ihre Hand anhalten, Madame Glitzerstern!

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  3. Okay, aber Achtung: Caramel wird euch im Suff anrufen!

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  4. Gut. Aber Achtung: Männer sind im Suff böse! Ist Caramel doof im Suff?

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  5. nope, nur ab und zu sehr rechthaberisch und nervig. im normalfall aber einfach nur schröcklich anhänglich und überschwänglich.

    ehm, wobei: ist ja eigentlich fast die definition von doof.

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  6. Aha. Der nüchterne Kontrollfreak in Ihnen lässt Sie also im Stich wenn Sie trinken. Anhänglichkeit und Überschwenglichkeit finden Sie doof? Haben Sie in Ihrer Kindheit zuwenig Liebe bekommen?

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  7. Das mit dem Heiratsantrag hab ich probiert, didn't work out as expected.

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  8. Dank Dir weiss ich jetzt, dass mein Leben ein Bright-Eyes-Song ist...!
    Oft wünsche ich mir, es sei alles etwas banaler.
    Aber vielleicht geht es nichts anders; vielleicht muss man den ganzen großen Schmerz kennenlernen um das große Glück fühlen zu können.
    Wer weiß?
    Bin übrigens gespannt, wie viele Heiratsanträge Du nun bekommst...!?!
    Wär ich ein schöner Mann, würd ich sofort auf die Knie fallen ;-)

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  9. Wenn du mal paar monate in einem büro gearbeitet hast, kannst du den klischierten witz in stromberg verstehen...
    ja. leider, das leben im büro ist wirklich so. und stromberg für mich meistens sehr lustig!

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  10. Klingt ganz nach einem Uppers und Downers Problem...

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  11. ja genau. stromberg eigentlich sehr okay. so blöd, dass schon wieder witzig. echt.
    und alles sehr schön, herzzerreissend formuliert mit der sehnsucht. solche texte braucht die welt!
    oder um's mit alain de botton's worten zu sagen:

    "Ich glaube man muss lernen, sein tägliches kleines Unglück zu lieben. Nur Narren sind immer glücklich."

    heavy hearts ich auch.

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