Freitag, 30. Oktober 2009

Heute: Caramels Spezialmenü! Extra lang!

Ich habe keinen grossen Holztisch, an dem ich gern Gäste bewirte. Ich mag eigentlich keine Gäste. Und kompliziert Kochen schon gar nicht.

So. Jetzt ist es draussen. Alle "Magazin"-Redaktoren dürften nun erschüttert auf ihren Sesseln zurückgerückt sein, die Hornbrille schief vor Schreck. So sie diesen Blog denn lesen, was natürlich nicht der Fall ist, weil die ja auch nur unterschätzte dänische Architekturzeitschriften und sozialkritische Bücher von franko-tibetischen Autoren im Exil lesen. (Keine Sorge, war ja eh nur Spass.)

Aber jetzt mal ganz ernst: Ich koche zwar gern, u.a. aus meditativen Gründen, aber am liebsten für mich, weil ich im Gegensatz zu allfälligen Gästen garantiert alles gern hab, was ich selbst koche; und auch, weil das nicht so viel Geschirr gibt zum Abwaschen. Allenfalls koche ich noch für jemanden. Aber nicht für viele Freunde. Weil es nicht das schönste ist, einfach ganz viele supergute Freunde zu Besuch zu haben. Denn, h.a.l.l.o., es ist einfach wahnsinnig anstrengend und nervlich äusserst aufreibend. Zahlreiche nicht dort wohnhafte Menschen in der eigenen Wohnung kann kein Privatmensch der Welt mehrmals pro Monat aushalten. Und dann die noch kreativ-impressiv bekochen. Wo die dafür erforderlichen Speziallebensmittel aus dem Globus Delicatessa doch so teuer sind. Und wo doch so viel schief gehen kann. Und meistens auch schief geht.

Also: Was ist eigentlich los mit diesem Kochen? Seit wann ist am Herd stehen und insbesondere Gäste bekochen so wahnsinnig style und hip, dass gleich beide meistgelesenen Schweizer Wochenzeitschriften mit Ess-Geschichten aufmachen? (Ja, die beiden Hefte sind bereits sooo yesterday, die kamen schon letzte Woche, aber hey: My Empörung kennt keine Agenda.)

Mal abgesehen davon, dass oben schon mal genanntes "Magazin" ohnehin zur Lifestyle-Schmalspurbibel zu verkommen droht (um einen Gedanken eines Bekannten zu klauen und abzuwandeln): Ein normaler Mensch kocht vielleicht ab und zu so richtig. Weil schliesslich müssen ja fast alle Normalsterblichen viel Zeit aufwenden zum Arbeiten. Und haben auch keine japanischen Messer oder speziellen Pfeffer zur Hand, um komplizierte Steamer-Rezepte nachzukochen.
Es ist zudem eine Unsitte, dass jeder immer meint: Gastgewerbe können alle. Gastgewerbe können nicht alle. Kochen ist ebenso eine Kunst wie der gute Service. Hobbyköche sind wie Hobbyfotografen: allzu oft klugscheisserische Dilettanten. Also warum ihnen so viel Platz einräumen am TV in Kochshows und in Zeitschriften und in Blogs? (Kleiner Scherz.)

Dass neu nach fancy Trendlebensmitteln wie Rucola und Balsamico-Essig plötzlich Hausmannskost wieder inn wird, passt nicht nur in die allgemeine Retro-Tendenz, in die sich die Menschen aus lauter Verunsicherung angesichts der Weltschieflage zu flüchten suchen, sondern ist schlicht elitärer Blödsinn. Jahrelang rümpfte die Szene die Nase ob Blut und Leberwurst und Rösti, weil - Sushi! Cool! Yeah!
Und jetzt plötzlich will jeder back to the roots und basics und das Ursprüngliche und Landeierige so.

Nicht falsch verstehen: Grundsätzlich unterstütze ich diesen Trend. "Saisonal und regional", die Devise wurde mir buchstäblich mit der Muttermilch eingeflösst. Aber ich mag sowas nicht als Trend. Nicht, wenn dann jemand bei Ronorp schreibt: "Hallo! Ich als grosse Metzgete Liebhaberin, suche ein tolles Restaurant in Zürich wo es fantastische Metzgete gibt!" Jaja. "Ich als grosse Metzgete Liebhaberin." Am Montag nach dem ominösen "Magazin".

Ich geh jetzt dann grad zum Kebabmann nebenan. Und frag mich beim Warten und Euronews gucken, wann eine Wochenzeitschrift mal eine Ode auf den perfekten Kebab schreibt, natürlich mit einer Reportage vom besten Kebabmann der Welt, bei dem man 28 Monate im Voraus reservieren muss, weil er das Lamm grad live im Hinterhof schlachtet mit einem Messer aus 39-mal gefaltetem Stahl. Oder hat das etwa schon mal wer?

7 Kommentare:

  1. Ab in den Schlachthof. Dort ist die Leberwurst am frischesten. Ehrenwort. Und dem Säuli kann man auch beim Ableben zugucken. Voll Event ey! Oder dann Weisser Wind, voll Ambiente. Und für Touristen Öpfelchammere. Und sonst Buureschänki.

    Und für den Türken des Vertrauens empfehle ich den Altünberg. Jupp, best Adana in Town. Allerdingensens ist der in Bern. Sorry Tsüri, NewPonit war Gestern ...

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  2. köstlicher beitrag! herzlichen dank auch. (jetzt muss ich mir wohl eine andere gastgeberin suchen, die mir das reh mit blut kocht. weil du machst es nicht und ich auch nicht.)

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  3. Biete: Abendkurs "Für sehr viele Gäste kochen mit sehr viel Freude"

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  4. Keine Angst Frau Landsturm, Sie werden auch mal Trend. Und Sie sind erst noch lustiger als die Frau Rothen.

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  5. hübsch gebrüllt, sie landstürmige, sie.
    passt zum heutigen aufmacher des "magazins". so kommerz, so hip, total auf der schmalspur. ein 80-jähriger nobelpreisträger erzählt vom kz und empfindet den kapitalismus nach 40 jahren in der diktatur als befreiend. sowas von öde, liest man ja täglich, könnte im "friday" stehen. puäch.

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  6. @Anonym: hat da irgendwer diesen Beitrag als generelle Magazin-Kritik verstanden? Ich bin noch am suchen.

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  7. Sieht ganz danach aus. Hab doch nur den Trend zum Trend in die Pfanne hauen. Dass dies keine Fundamentalkritik ist und der Landsturm ganz insgeheim ein differenzierter, müssten doch Kaderschüler merken.

    Ach ja, zum Thema Trends und Kritik im Magazin: http://www.playlust.net/wp/?p=3113

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