Jedes Mal, wenn ich von einem dieser rebellischen Teenager um Geld für die Notschlafstelle angebettelt werde, droht meine leistungsorientierte Erziehung mit mir durchzugehen.
«Nun hör mal, ich habe gerade zehn Stunden gearbeitet, damit ich mein Leben selbst finanzieren kann. Dabei sollte ich in dieser Zeit lernen, um mein Studium zu schaffen. Und du meinst, ich solle dir nun Geld geben, damit du deinen blöden Eltern eins auswischen kannst? Damit du dich dem furchtbaren kapitalistischen System widersetzen darfst?»
Solches Zeug würde ich manchmal am liebsten sagen. Tus aber nicht. Weil ich mir dabei fascho-mässig vorkommen würde. Tatsache ist aber: Ich habe nun mal keine soziale Ader. Höchstens vielleicht eine Kapillare.
Deshalb gehe ich bei Bettlern stets leistungsorientiert vor. Bärtiger russischer Opernsänger? Fünf Stutz in den Hut. Brasilianischer Fussballjongleur? Klimper, klimper. Lauter «Surprise»-Verkäufer? Gehört fürstlich belohnt! Schlimmer Junkie am Abgrund? Ja, denn da meldet sich die soziale Kapillare.
Aber kommt mir nicht mit «Holdrio, ich bin 17 und will dem System eins auswischen». Dann tu das doch! Aber richtig. Und konsequenterweise ohne mein extrem kapitalistisch verdientes, schmutziges Geld.
Samstag, 29. März 2008
Freitag, 7. März 2008
Das Kind in mir
Als Kind war ich nie krank. Dabei hätte ich es mir doch so sehr gewünscht. Dann hätte ich die Schule schwänzen können. Aber nein. Wenn ich dann doch mal erkältet war oder simulierte, sagte meine Mutter bloss: «Geh doch mal und versuchs, und wenn es dir nicht gut geht, hole ich dich wieder ab.» Damit war mir der Wind aus den Segeln genommen. Natürlich rief ich nie an.
Meine Freundinnen wurden derweil immer gleich in eine mehrtägige Quarantäne gesteckt, sobald sie nur ein kleines Hüstchen andeuteten. Darauf war ich sehr neidisch. Überhaupt auf alle, die sich jemals etwas brachen oder deren Bänder rissen. Meine Knochen waren stark, meine Bänder dehnbar. Nie durfte ich einen Gips oder Krücken tragen. Dabei fand ich das als Teenie super cool und style und yeah.
Auch heute freue ich mich noch wie ein blöder Goof, wenn ich mal nicht wegen nichts beim Arzt war. Nur eben. Irgendwie fägts heute nicht mehr. Schliesslich ist kein Mami in der WG, das im Ernstfall pflegt. Und schwänzen ist auch nicht mehr interessant, weil meine Anwesenheit an der Uni sowieso die Ausnahme bildet.
Doch ausgerechnet jetzt rächt sich mein Körper für mein langjähriges Um-Krankheit-Winseln. Jetzt habe ich eine Mittelohrentzündung. So was hat man doch nicht als Erwachsene. Das Kind in mir scheint mich zur Unzeit einzuholen.
Meine Freundinnen wurden derweil immer gleich in eine mehrtägige Quarantäne gesteckt, sobald sie nur ein kleines Hüstchen andeuteten. Darauf war ich sehr neidisch. Überhaupt auf alle, die sich jemals etwas brachen oder deren Bänder rissen. Meine Knochen waren stark, meine Bänder dehnbar. Nie durfte ich einen Gips oder Krücken tragen. Dabei fand ich das als Teenie super cool und style und yeah.
Auch heute freue ich mich noch wie ein blöder Goof, wenn ich mal nicht wegen nichts beim Arzt war. Nur eben. Irgendwie fägts heute nicht mehr. Schliesslich ist kein Mami in der WG, das im Ernstfall pflegt. Und schwänzen ist auch nicht mehr interessant, weil meine Anwesenheit an der Uni sowieso die Ausnahme bildet.
Doch ausgerechnet jetzt rächt sich mein Körper für mein langjähriges Um-Krankheit-Winseln. Jetzt habe ich eine Mittelohrentzündung. So was hat man doch nicht als Erwachsene. Das Kind in mir scheint mich zur Unzeit einzuholen.
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